19. August 2024

Grünes Schattendach in Oerlikon

Ein Schattendach in Zürich Oerlikon überträgt Infrastrukturlinien aus der Industriezeit in eine Rankstruktur aus Edelstahlseilen und Netzen. Auf den Netzen wächst Begrünung und schafft einen multifunktionalen Stadtraum. Dieses Bauprojekt zur urbanen Begrünung ist in Europa einzigartig.

Oerlikon ist ein wachsender Stadtteil und Verkehrsknotenpunkt im Norden von Zürich. Die Linien von S-Bahnen und Fernzügen kreuzen sich hier. Das städtische Tram- und Busnetz ist angebunden. Firmen haben hier ihre Standorte und Büros. In Nachbarschaft dazu entstehen neue Wohnquartiere und Stadtbereiche.

Aus seinen industriellen Wurzeln entwickelt sich Oerlikon heute zu einem dynamischen urbanen Raum, der Geschäftsviertel mit Dienstleitungs- und Technologiesektoren, Bildungseinrichtungen, Wohnräume und Freizeit -und Erholungsbereiche verbindet. Die kontinuierlichen Investitionen in Infrastruktur und Stadtentwicklung werden diesen Weg in den nächsten Jahren weiter stärken.

In diesem vielfältigen Umfeld wird das Areal Birchstrasse 230 / Neunbrunnenstrasse 50 durch die A & A Liegenschaften AG entwickelt. Drei Gebäude (Emil Nord, Neu Oerlikon, ETH-Schulgebäude) bilden hier einen modernen Komplex, in dessen Zentrum ein halboffener Plaza von einem grünen Schattendach überspannt wird.

Der überdachte Plaza ist ein Treffpunkt und Ort zum Verweilen. Er bildet die Schnittstelle zwischen den drei Gebäuden, in denen Wohnräume, Büros und Bildung untergebracht sind. Unter dem Schattendach befinden sich Sitzmöbel. Der Aufenthaltsbereich wird aufgelockert durch Blumenbeete und einen historischen Eisenbahnwaggon, der ein Restaurant enthält.

Verkehrslinien als Muster für ein Schattendach

Der Gebäudekomplex und das Schattendach wurden geplant von den Architekten G8A. Ein internationales Büro, das bekannt ist für innovative Entwürfe und energieeffiziente Bauweisen. Die Bauprojekte dieser Architekten suchen neue Wege und integrieren dabei kulturelle und kontextuelle Gegebenheiten. Vor diesem Hintergrund ist auch das Schattendach in Oerlikon zu betrachten.

Die Struktur des Schattendaches bildet in ihren Linien Strassenbahnkabel und Stromoberleitungen nach, die einst durch Oerlikon verliefen. Die historischen Verkehrslinien des industriellen Oerlikon werden hier übersetzt in eine Tragstruktur aus Seilen und Edelstahlnetzen. Mit dieser Anlehnung bildet die Schattendachkonstruktion die Verbindungslinien zwischen den drei umstehenden Gebäuden. Die sich kreuzenden Linien der Tragseile laufen auf die drei Gebäude zu, sind hier an Anschlagpunkten befestigt und überwinden als filigrane Bauelemente die Spannweiten über dem Plaza.

 

Flexibles Schattendach aus Zug- und Druckelementen

Die Schattendachstruktur aus Tragseilen und Edelstahlnetzen durfte Jakob Rope Systems nach den Entwürfen der Architekten statisch ausarbeiten, berechnen und 2023 installieren. Die gesamte Struktur setzt sich ausschliesslich aus Zug- und Druckelementen zusammen. Das ermöglicht eine äusserst filigrane und bewegliche Leichtbaukonstruktion.

Über 13 Abspannseile werden die Zugkräfte der gesamten Struktur an Fixpunkten der umstehenden Gebäude abgetragen. Im Inneren der Schattendachstruktur tragen 16 weitere Seile und acht Netzelemente die Belastungen.

Unter der Schattendachstruktur stehen auf dem Plaza verteilt neun Stahlstützen (Stahlbau wurde realisiert durch BURRI public elements AG). Die Stützen stehen beweglich auf kugelförmigen Lagern. Sie bringen formende Druckkräfte in die Schattendachstruktur und tragen zugleich die vertikalen Lasten ab, die durch Wind und andere Einflüsse auf die Struktur wirken. Auf den sieben bis neun Meter hohen Stahlstützen sind Pflanzentröge angebracht. Aus ihnen wächst die Begrünung über die aufgespannten Seile und Netzelemente hinaus.

Begrünung bringt Schatten und Verdunstungskühlung

Zunächst ist kein vollständig geschlossenes Blätterdach geplant. Die Begrünung wird partiell bleiben. So wird auf dem darunter liegenden Plaza ein Wechselspiel aus Licht und Schatten entstehen. An heissen Sommertagen wird das Grün nützlichen Sonnenschutz und Verdunstungskühlung spenden. Zudem werden die Pflanzen CO2 binden und damit zu einem angenehmen Klima beitragen.

In ihrem Entwurf verzichten die Architekten auf eine bodengebundene Begrünung, die einige Jahre benötigen würde, um die hohen Stahlstützen zu erklimmen. Stattdessen kann die Begrünung aus den oben angebrachten Pflanzentrögen sehr viel schneller über die Rankstrukturen austreiben. Hierzu sind Bewässerung und Nährstoffzufuhr in den Pflanzenbehältern integriert. Die Zuleitung erfolgt aus dem Boden über die Stahlstützen hinauf in die Behälter. Im Winter entleert sich die Bewässerung bei Aussentemperaturen unter fünf Grad Celsius. Ebenfalls in das Schattendach integriert ist eine Beleuchtung. So wird der Aussenbereich bei Dunkelheit zu einem interessanten Ort mit stimmungsvollem Licht.

Das Schattendach auf dem Areal Birchstrasse 230 / Neunbrunnenstrasse 50 ist eine bewusste Entscheidung, um den Gebäudekomplex mit einem Mikroklima aus Grün und Schatten zu ergänzen. Hier entstehen Verdunstung, natürliche Kühlung und mit den Jahreszeiten ein lebendiger Wechsel von Farben und Blütenständen.

 

Die Bilder zeigen eine Vorschau: So wird die Begrünung voraussichtlich in zwei Jahren über die Netzstrukturen ausgebreitet sein.

Dimensionen des Schattendaches:

  • Fläche Innenhof circa 30 x 60 m
  • Überspannte Fläche der Seil- und Netzstruktur circa 250 qm
  • Höhe der Seile und Netze circa 8 - 10 m über Boden

Für die Rankstruktur lieferte und installierte Jakob Rope Systems diese Elemente:

  • 13 Stück Abspannseile Edelstahl mit Forte Gabel (19 mm), total 250 m
  • 16 Stück Tragseile Edelstahl mit Forte Gabel (14 mm), total 120 m
  • 8 Webnet-Elemente (3 mm Seildurchmesser, 80 mm Maschenweite)

Montage der Seile und Webnet-Elemente:

  • Ab Jakob Werk wurden alle Abspann- und Tragseile unter Vorspannkraft auf die Länge eingestellt und in ganzer Länge mit temporären Netzschläuchen geschützt, da die Seile an den lackierten Stahlstützen montiert wurden und diese nicht beschädigt werden durften.
  • Der Boden auf der Baustelle durfte nicht befahren werden. Somit erfolgte die Seilmontage vom Dach aus und von der Strasse per Teleskophebebühne. Für die Montage der Seile am Gebäude arbeitetet die Jakob Monteure am hängenden Seil. Das Gebäude ist circa 22 m hoch.

Partner des Projekts:

Planung: G8A Architecture & Urban Planning
Bauherrschaft: A&A Liegenschaften Schweiz AG
Begrünung: Dr. Alina Schick und Frank Kurer
Metallbau: BURRI public elements AG
Rankstrukturen: Jakob Rope Systems